Alexander Klein—Neuer Standard im Wohnungsbau
Wohnraum als soziale Frage beschäftigt Architekt*innen seit der Weimarer Republik in unterschiedlicher Dringlichkeit. Nach dem Ersten Weltkrieg sollten neue architektonische Ansätze zur Lösung der akuten Wohnungsnot sorgen. Neue Standards im Verständnis von Gesellschaft, Konstruktion und Gestaltung führten zu Paradigmen wie „Licht, Luft und Sonne“, dem „Existenzminimum“ und der „Klein(st)wohnung“. Im Schatten von Architekten wie Walter Gropius, Bruno Taut und Le Corbusier, die noch heute wichtiger Teil des Architekturkanons sind, entwickelte Alexander Klein zwischen 1920–1933 neue methodische Ansätze zur Lösung der Wohnungsfrage, die heute nur wenigen Expert*innen bekannt sind.
Kleins bemerkenswert innovative Entwurfsmethodik, die die Aspekte Wirtschaftlichkeit, Hygiene, Einfache Nutzung, Behaglichkeit zusammenführt, gründet in der Analyse der ökonomisch-legislativen Grundprämissen des Wohnungsbaus der Weimarer Republik. Er entwickelt den Raumgruppengrundriss als Alternative zum Zentralflurgrundriss und leitete daraus Erkenntnisse hinsichtlich Organisation und Flächenoptimierung von Grundrissen ab, die er in zeichnerische Analysewerkzeuge übersetzte. Dieses Vorgehen methodisierte er als Graphisches Verfahrens im Rahmen des Vergleichs verschiedener Grundrisstypen, um objektive Parameter für die Bewertung von Entwurfsqualitäten zu ermitteln. Klein untersuchte das Problem des Wohnens in seiner Komplexität und berücksichtigte dabei besonders die Auswirkungen der Wohnbedingungen auf die menschliche Psyche und Physis unter tayloristischen Gesichtspunkten.
Seine Forschungsarbeit baute Klein als Mitglied der Reichsforschungsgesellschaft für Wirtschaftlichkeit im Bau- und Wohnungswesen (RFG) aus und brachte sein Wissen auch praktisch in gebauten Projekten zum Einsatz. Klein zeigt damit einen Weg der Verwissenschaftlichung und Systematisierung von Architekturpraxis zwischen Raumqualität und Wirtschaftlichkeit auf, auf den es sich zu blicken lohnt – auch heute noch. Sein Beitrag zur Bewertung und Entwicklung von Grundrissen ist sowohl methodisch als Werkzeug für entwerfende Architekt*innen von Relevanz als auch aus politischer Perspektive aktueller bau- und wohnungspolitischer Zwänge, wie Ressourcenknappheit und Leistbarkeit. Wirtschaftlichkeit denkt Klein nicht im Sinne einer Profitmaximierung, sondern im Sinne einer realpolitischen Vision des Wohnens: Wie lassen sich auf wenig Raum, mit begrenzten Ressourcen möglichst viele gute Wohnungen für die unterschiedlichen Nutzer*innenbedürfnisse herstellen? Die vorliegende Arbeit legt den Grundstein für eine Aktualisierung und Neuinterpretation der Kleinschen Ansätze eines neuen Standard im Wohnungsbau.
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